Ich bin ein Eli-Kind – Erziehung ist Herzenssache
Gerne denke ich an meine Kindheit zurück, obwohl mein Weg in dieses Leben mit vielen Stolpersteinen gepflastert war. Ich bin inzwischen 23 Jahre und habe einen Beruf erlernt, indem ich auch tätig bin. Ich habe eine eigene kleine Wohnung, deren Kosten ich selber trage und teile sie mir mit meiner Schmusekatze. In der Freizeit bin ich oft mit Freunden in Clubs und Bars unterwegs, obwohl ich Alkohol und andere Suchtmittel strikt ablehne. Der Sport spielt eine wichtige Rolle in meinem Leben.
Warum ich das Alles hier erwähne? Das möchte ich hier mal erzählen:
Vor 23 Jahren wurde ich mit einem schweren Herzfehler geboren. Meine leibliche Mutter war mit dieser Situation völlig überfordert, sie konnte mir einfach nicht das geben, was ich gebraucht hätte. Also verbrachte ich die ersten 3 Jahre meines Lebens in einem Kinderheim. Diese Zeit war geprägt durch ständige Notarzteinsätze, Krankenhausaufenthalte und Arztbesuche. Ich kann mich daran nicht mehr erinnern, das ist sicher gut so. Aber ich weiß, ich war immer allein. Keine Mama , die mich tröstet, wenn ein Arzt mir wehtun musste. Niemand, der mich vorbereitet hat auf Untersuchungen und Abläufe. Am Anfang habe ich geweint, dann nicht mehr. Ich habe alles stumm ertragen.
Das Jugendamt suchte für mich Pflegeeltern, viele kamen und gingen wieder. Ein krankes Kind zu vermitteln ist sicherlich schwierig. Eines Tages kurz vor meinem 3. Geburtstag, meldete sich eine Mitarbeiterin des St. Elisabeth-Vereines in meiner damaligen Einrichtung. Sie kam in Begleitung ihrer Fachberaterin und beide sprachen lange mit der Heimleiterin über mich und was ich alles brauchen würde. Im Anschluss spielte meine heutige Mama mit mir und versprach schon bald wieder zu kommen. Wir sahen uns dann zweimal die Woche für Unternehmungen und ich wurde immer neugieriger, wo sie denn wohnte und wer noch zur Familie gehörte.
Ich konnte noch nicht richtig sprechen, aber Mama und Papa sagte ich sofort. Damals nur Worte ohne gefühlten Inhalt für mich, heute: Meine Mama und mein Papa – meine Eltern.
Ich zog in die Familie ein und war gekommen, um zu bleiben. Endlich hatte ich ein Zuhause, ein Nest und ich wurde noch einmal geboren. Egal ob ich krank war (und ich war sehr viel krank) oder geplante Operationen und Klinikaufenthalte anstanden, immer begleitete mich meine neue Mama. Dank der Förderung in allen Lebensbereichen, der Zuneigung und des stabilen Beziehungsangebotes bekam meine Entwicklung einen positiven Schub und ich bin heute ein junger Erwachsener, der zwar immer noch kein gesundes Herz besitzt, aber Selbstbewusstsein und ein eigenbestimmtes Leben hat.
In vielen Gesprächen erklärte mir meine Mama schon sehr früh, dass sie nicht meine Bauchmama sei, sondern die Mama, die all meine Sorgen und Nöte mit mir teilt. Ich sei etwas Besonderes, da ich zwei Mamas habe. Ich erfuhr auch schon sehr zeitig, dass ich nun ein Kind des St. Elisabeth-Vereines bin und ich genau wie 45 andere Kinder in einer Erziehungsstelle lebe und lache.
Damals verstand ich noch recht wenig, was eine Erziehungsstelle ist. Heute reden wir oft darüber, dass meine Mama bestimmte Anforderungen erfüllen musste, um als gelernte Erzieherin in einer Erziehungsstelle bzw. Familienwohngruppe arbeiten zu können. Nach der Bewerbung beim St. Elisabeth-Verein musste sie ein Bewerberverfahren durchlaufen, in dem sie viel über sich preisgab und gleichzeitig viel Wissen zur eventuell bevorstehenden Arbeit zurückbekam. Nach der Erteilung der Betriebserlaubnis wurde ich ihr aus der Aktenlage vorgestellt. Sie hat auf ihren Bauch gehört und sich für mich entschieden.
Das Leben und Arbeiten mit mir war bestimmt nicht immer leicht. Doch durch die Hilfe der Einrichtung St. Elisabeth-Verein in Form von Fachberatung, kollegiale Beratung und monatliche Supervision konnten Krisen gemeistert werden. Heute wissen wir beide, dass eine Stellenanzeige unser beider Leben positiv verändert hat. Ich bin sehr dankbar, dass es für mich diese besondere Form der Heimerziehung gegeben hat. Gleichzeitig macht es mich sehr traurig, dass es immer weniger Pädagogen gibt, die sich dieser Herausforderung stellen möchten und es aber gleichzeitig immer mehr Kinder gibt, die nicht in ihren Ursprungsfamilien aufwachsen können. Ich wünsche jedem Kind ein Zuhause wo es respektvoll behandelt wird und mit Liebe und Grenzen erzogen wird, egal ob es in seiner Herkunftsfamilie oder wie ich in einer Erziehungsstelle aufwächst.
Euer Chris